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Zum Orgeljubiläum: Unsere Orgel im Portrait

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Jubiläum: 200 Jahre Orgel in Ibersheim

Die Orgel in der Ibersheimer Mennonitenkirche wird (spätestens) in diesem Jahr 200 Jahre alt – und ist damit 14 Jahre älter als die Kirche, in der sie steht. Dieses Jubiläum begeht die Gemeinde mit einigen besonderen Veranstaltungen. Offizielle Eröffnung war mit einem „Liedgottesdienst“ am 3. April: Die meisten der Lieder im Gottesdienst konnte sich die Gemeinde spontan aussuchen, und dann wurden sie, natürlich mit der Orgel begleitet, gesungen.

Auf eine klassische Predigt wurde in diesem Fall bewusst verzichtet. Aber es gab drei kurze Beiträge, die wir hier dokumentieren: Zum einen Gedanken zur grundsätzlichen Bedeutung der Orgel für die Gemeinde, zum anderen bau- und musikgeschichtliche Einblicke und last, but not least, eine Meditation über laute und leise Orgeltöne.

Zur Bedeutung der Orgel

Die Orgel ist nicht nur ein Musikinstrument, die Orgel füllt die Kirche mit Leben, die Orgel gibt der Kirche ein Gesicht.

Hier vom Altar aus kann man die Orgel in ihrer ganzen Pracht bewundern. Eine Pracht, vor 200 Jahren gebaut, mehrmals renoviert, das letzte Mal aufwändig vor fast 20 Jahren. 

Es gab ja mal die Zeit, in der es keine Orgel in der Kirche gab. Dabei fällt mir der Gedanke von Werner ein, „dass der Gesang der Männer scheinbar so grauenhaft gewesen sein muss, dass man eine Orgel anschaffen musste.“ Und was für eine Orgel wurde angeschafft! Mit der konnte seit 200 Jahren gesungen, musiziert oder einfach zugehört werden.

Es konnte so zusammen mit ihr gesungen werden wie nie zuvor. Ein solches Meisterwerk gibt eine beachtliche Leistung ab, die das Gesangserlebnis auf eine andere Stufe hebt. Die Orgel eröffnet uns so durch talentiertes Spiel, meist dargebracht von Annette, jeden Gottesdienst neue Klangwelten, welche uns näher zu Gott bringen.

Florian Lang

Möglich war das ganze Projekt damals durch eine beachtliche Anzahl von Spenden von  Gemeindegliedern und anderen, die sich der Gemeinde irgendwie verbunden fühlten, sowie der evangelischen Kirchengemeinde. Bestätigt fühlten wir diesen Schritt zur Restaurierung aber auch durch einen Zuschuss des Landesamtes für Denkmalpflege. Viele haben sich an dem jetzt so vielseitigen Klang schon bei Gottesdiensten, Konzerten oder den derzeit monatlich stattfindenden „AUSZEITEN“ erfreuen können.
Annette Bergtholdt
Organistin

Zur Geschichte der Orgel

Die Kirche wurde im Mittelpunkt des Dorfes 1836 erbaut. An derselben Stelle, auf dem Kirchplatz, stand bereits eine ältere Mennonitenkirche, die wohl aus dem frühen 18. Jh. stammte. Bereits für diese Vorgängerkirche wurde unsere heutige Orgel 1822 angeschafft. Auf einem Zettel, der vermutlich aus der alten Balganlage stammt, ist vermerkt: „Bälge und Werk wurden 1821 angefertigt durch den Orgelbauer Philipp Christian Schmidt und dessen Söhne Philipp Wilhelm und Karl“. Diese beiden Jahreszahlen haben uns das Glück beschert, das Jubiläum unserer Orgel über zwei Jahre feiern zu dürfen, was uns in dieser besonderen Coronazeit sehr zugute kam. Bei der Restaurierung im Jahr 2004 wurden in den Pfeifen Zeitungsabschnitte aus dem Jahre 1812 gefunden. Auf viele kleine Puzzleteile ist also die Geschichte der Orgel gestützt, und wie man vor Jahren noch sagte, es sei eine Stumm-Orgel (Orgelbauerfamilie aus dem Hunsrück), so setzt sich mit der Restaurierung im Jahr 2004 die Meinung durch, dass Philipp Christian Schmidt (Kirchheimbolanden/Rockenhausen) doch der Erbauer der Orgel war, zumal er ein Schüler der Orgelwerkstatt Stumm war. Dies macht die Orgel tatsächlich noch wertvoller, denn von Philipp Christian Schmidt sind nur wenige Orgeln bekannt (z.B. Dielkirchen, Rockenhausen)

Das Innere der Orgel veränderte sich im Jahr 1917, in dem die Prospektpfeifen an die Reichs-Metallsammlung abgeliefert werden mussten. 1921 wurden bei einer Restaurierung die Prospektpfeifen ersetzt, sowie 3 weitere Register verändert. 1936 erhielt die Orgel ein Gebläse mit Elektromotor sowie zwei neue Pedalregister. 1981 wurde die Orgel überholt und dann im Jahr 2004 mit viel Aufwand restauriert und wieder in ihren Ursprungszustand versetzt. Insgesamt wurden 4 Register und der Tremulant rekonstruiert.

Die Restaurierungsarbeiten wurden durch die Orgelbaufirma Förster und Nicolaus aus Lich durchgeführt und in einem Gutachten von Dr. Martin Balz, dem Orgelsachverständigen der evangelischen Kirche, mit einem klanglich herausragenden Ergebnis beurteilt.

Möglich war das ganze Projekt damals durch eine beachtliche Anzahl von Spenden von  Gemeindegliedern und anderen, die sich der Gemeinde irgendwie verbunden fühlten, sowie der evangelischen Kirchengemeinde. Bestätigt fühlten wir diesen Schritt zur Restaurierung aber auch durch einen Zuschuss des Landesamtes für Denkmalpflege. Viele haben sich an dem jetzt so vielseitigen Klang schon bei Gottesdiensten, Konzerten oder den derzeit monatlich stattfindenden „AUSZEITEN“ erfreuen können.

In Coronazeiten wurde das Orgeljubiläum eher im kleinen Stil im Winter 2021 mit einer monatlichen musikalischen „AUSZEIT“ begonnen. REINKOMMEN, ENTSPANNEN, GENIESSEN ist das Motto. Im Jubiläumsjahr bieten wir für ca. zwanzig Minuten Musik für alle Menschen an, die sich gerne eine kurze AUSZEIT zum Abschalten vom Alltag gönnen möchten. Hierzu musizieren Miriam Kohrn (Violine) + Annette Bergtholdt (Orgel+Klavier). Die Auszeiten werden gerne und zahlreich angenommen.

Annette Bergtholdt

Zur Spielweise der Orgel

Ich liebe sie – laute Orgeln, die schöne, am liebsten geistliche Melodien mit voller Kraft und Wucht spielen. Noch schöner wird es, wenn ich, wenn wir als Gemeinde dann mitsingen können: Großer Gott, wir loben Dich! – Nun danket alle Gott! – Allein Gott in der Höh sei Ehr! – Christ ist erstanden! – O du Fröhliche! – Und so weiter…

Die Orgel, die Königin der Instrumente – in ihrer ganzen Pracht. Ein Instrument zur Ehre Gottes. Ein Instrument: herrlich, kraftvoll, machtvoll.

Und doch, so musste schon der Prophet Elija lernen, nachzulesen in 1. Könige 19:

„Der HERR antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den HERRN! Da zog der HERR vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem HERRN voraus. Doch der HERR war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der HERR war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der HERR war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle. 14 Da vernahm er eine Stimme, die ihm zurief: Was willst du hier, Elija?“[1]
Elija
1. Könige 19

Und es entspinnt sich ein Gespräch zwischen Gott und Elija. Aus dem Säuseln heraus. Aus der Ruhe. Aus der Stille.

Aus dem, was am anderen Ende des Spektrums ist, von dem, was eine Orgel auch kann: Leise, sanfte Töne. Ruhig. Getragen.

Vielleicht ist das so: Wenn wir Gott loben wollen, wollen wir es laut tun. Wenn wir Gott hören wollen, wenn er zu uns reden soll – dann sollten wir leise, sanft und ruhig sein.

Amen.

Andreas Kohrn


[1]Einheitsübersetzung 2016 nach www.bibleserver.de, 2.4.22

Disposition der Orgel in der Mennonitenkirche Ibersheim

Gebaut 1822 durch Philipp Christian Schmidt,
restauriert 2004 durch Förster & Nicolaus, 35423 Lich

Vor der Restaurierung 2004

  • Manual (C – f´´´), 54 Tasten: Pedal (C-d°), 15 Tasten:
  • Principal 4´ (neu aus Zink 1921) Subbass 16´ (neu 1936)
  • Viola da Gamba 8´Bass und Diskant (neu aus Zink 1921) Cello 8´ (neu 1936)
  • Gedeckt 8´Bass und Diskant
  • Quinte 2 2/3´ Pedalkoppel
  • Oktav 2´ Windablass
  • Gedacktflöte 4´
  • Mixtur 3fach 1´
  • Aeoline 8´Bass und Diskant (neu aus Zink 1921)
  • Vox coelestis 8´Bass und Diskant (neu aus Zink 1921, ab c°)

Nach der Restaurierung 2004

  • Manual (C – f´´´), 54 Tasten: Pedal (C-d°):, 15 Tasten:
  • Principal 4´ (Rekonstruktion 2004) Subbass 16´
  • Viola da Gamba 8´Bass und Diskant (Rekonstruktion 2004) Cello 8´
  • Bourdong 8´ Bass und Diskant
  • Quinte 3´ Pedalkoppel
  • Oktav 2´ Tremulant (Rekonstruktion 2004)
  • Gedacktflöte 4´ Windablass
  • Mixtur 3fach
  • Cromhorn Bass und Diskant 8´ (Rekonstruktion 2004)
  • Vox humana Bass und Diskant 8´ (Rekonstruktion 2004)